Warum Geduld und Gewalt nicht zusammen gehören

Gewalt ist mit Geduld nicht abzuwenden. Egal wie groß die Geduld ist. Die Gewalt wird größer sein. Und der Schaden an Leib, Leben und Seele.

Dennoch wird Frauen, die von ihren Ehe-Partnern routinemäßig beschimpft, erniedrigt, gedemütigt, isoliert, geschlagen und gequält werden, noch immer viel zu oft empfohlen: „Hab Geduld. Halte durch. Erzähl es keinem. Pass dich an. Füge dich. Inshaallah wird alles gut.“

Ein falscher Rat!

Nichts wird gut! So jedenfalls nicht!

Denn dieser Rat ist falsch. Er geht an der alltäglichen Hölle der betroffenen Frau vorbei.

Gibt ihr die Verantwortung für das, was passiert. Und lässt sie allein. Mit ihren Schmerzen an Körper und Seele. Mit ihrer Scham. Ihren Schuldgefühlen. Ihrer Verzweiflung.

Und vor allem mit ihm, der sie quält! Mit verletzenden Worten. Mit Psycho-Tricks. Mit übertriebener Eifersucht. Mit zerstörerischen Wutausbrüchen. Mit Schlägen. Mit Tritten. Mit Würgegriffen.

Und deshalb ist dieser Rat weder gut, noch kann er gut gemeint sein! Statt dessen ist er vor allem eins: gefährlich!!

Unbehandelte Tumoren töten – Gewalt auch!

Wenn jemand einen bösartigen Tumor hat, sagt doch auch niemand, der bei Vernunft ist: „Wenn du nur genug Geduld hast und niemandem davon erzählst, geht er bestimmt von allein wieder weg.“

Das sagt niemand. Weil es niemand glaubt. Weil jeder weiß, dass ein Tumor, der nicht behandelt wird, wächst. Dass er sich immer mehr ausdehnt, immer mehr gesundes Gewebe erobert und zerstört. Bis die ersten Funktionen ausfallen. Und dann die nächsten. Bis irgendwann der Tumor über all ist. In jeder Zelle. Und derjenige tot.

Eine von vielen – leider!

Auch sie – Allah möge sie beschützen – könnte vielleicht bald tot sein. So wie jährlich über hundert andere Frauen in Deutschland. Denen das Leben von ihrem (Ex-)Partner genommen wurde.

Auch sie wird vielleicht bald in der riesigen Menge von 50.000 Frauen verschwinden, die jährlich weltweit durch die Hand ihres Partners oder anderer Angehöriger sterben!

Durchhalten? Für wen?

Sie, deine Schwester, die still gehalten, ausgehalten, „durchgehalten“ hat. Für die Kinder. Für das „Ansehen “ der Familie. Für die „Ehre“ eines Unehrenhaften, der ihre eigene Ehre mit Füßen tritt und ihre Würde mit Fäusten traktiert.

Für alle, die glauben, das geschehe ihr recht. Für alle, die glauben, das gehöre so. Für Frauen. Im Islam. Oder überhaupt.

Für alle, die zu feige waren, ihr zu helfen. Ihr zu glauben. Ihr beizustehen. Und ihren Schmerz auszuhalten. Und den ihrer Kinder.

Für alle, die hinter schönen Wörtern ihre hässliche Angst verbergen. Angst, sich einzumischen. Angst, sich zu irren. Angst, sich die Hände schmutzig zu machen. Mit den Sorgen anderer.

Angst gegen Angst?

Aber! Ich frage mich und ich frage dich:

Kann ihre Angst, kann unsere Angst größer sein als die der betroffenen Frau in dem Moment, wenn der Schlüssel sich im Schloss dreht und ihr gewalttätiger Ehemann nach Hause kommt?

Mit hasserfüllten Augen, die ihre Angst nicht sehen. Ihre Tränen. Ihre Liebe. Ihre Hoffnung. Rasend vor Wut wegen irgendetwas, wegen irgendjemand, wegen allem und nichts? Die Hand zum Schlag erhoben? Oder im Würgegriff an ihrem Hals?

Kann unsere Angst größer sein, als die des Kindes, das sich weinend und zitternd an seine Mutter klammert? Und sie bald darauf wimmernd, wehrlos und würdelos am Boden liegen sieht?

Nein! Kann sie nicht!

Und darf sie nicht!

Geduld – ja! Aber an passender Stelle!

Darum:

Der Rat Geduld zu haben, ist meistens gut. Aber nicht immer. Nicht im Falle von ehelicher oder sonstiger Gewalt!

Er sollte nicht als Ausrede missbraucht werden. Als schön klingender Vorwand, um sich nicht einbringen zu müssen. Um die Augen verschließen zu können vor der Not einer betroffenen Schwester.

Die deine Hilfe braucht! Die unsere Hilfe braucht!

Bist du von Gewalt in der Ehe betroffen? Hier findest du Informationen, Rat und Hilfe:

www.hilfetelefon.de

www.mutes.de

www.re-empowerment.de

Bild von Free-Photos auf Pixabay

Ein Kommentar bei „Warum Geduld und Gewalt nicht zusammen gehören“

  1. Liebe Schreiberin, wahre Worte.
    Es fehlt den Frauen oft an Stärke und an Selbstbewusstsein den Mann vor die Tür zu setzen.
    Es soll keine Frau Gewalt dulden.

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